Wer London oder die Schweiz toll, aber teuer findet, sollte sich mal im Osten umschauen. Denn dort gibt es vom Mittelmeer bis zur Ostseeküste viele Ziele die ebenso schön, aber deutlich günstiger zu entdecken sind.
Vom Schlossurlaub in Polen über Städtetripps mit Operngenuss und Weltkulturerbestatus oder atemberaubende Naturerlebnisse - umsonst und draußen: Wenn Osteuropa-Experte Frieder Monzer von seinen Lieblingszielen schwärmt, wirken die üblichen Klassiker dagegen irgendwie verstaubt und überholt.
Familienurlaub auf den estnischen Inseln - bezahlbarer als Schweden, mit gleichem Erlebniswert. Der kroatische Nationalpark Velebit - Landschaft wie Korsika, aber weniger überlaufen. Neugierig? Mehr Tipps finden Sie hier.
Die Mitte Europas in Transkarpatien und Litauen?
Wer den Begriff "Osteuropa" korrekt verwenden möchte, muss erst einmal klären, wo Europas Mittelpunkt überhaupt liegt. Denn Europas Mitte liegt viel weiter im Osten, als man gemeinhin denkt.
Eine der beiden anerkannten Berechnungsmethoden für den Mittelpunkt unseres Kontinents stammt noch aus dem 19. Jahrhundert. Die Mittelpunktforscher landeten damals in der Westukraine am Oberlauf der Theiß, nahe der Grenze zu Rumänien (Koordinaten: 47º 56' 3" N, 24º 11' 30" O). Die Hauptstraße im Dorf Dilowe am Fuße der Karpaten führt quasi direkt durch die Mitte Europas: "Locus perennis" steht in lateinischer Sprache auf einem kleinen Sandstein-Obelisken, den Vermessungsexperten 1887 hier errichtet haben. Aber nicht nur der Obelisk zeugt von der zentralen Lage des Orts. Im ehemaligen Habsburger Reich war die Region um Dilowe eine Multikulti-Gegend. Noch heute gibt es einfache Bauern, die mehr als fünf Sprachen sprechen.
Geographen des französischen Institut Géographique National ermittelten 1989 den zweiten akzeptierten Wert für die Mitte Europas als Massenschwerpunkt. Der liegt in Litauen, im Ort Purnuškės (Koordinaten: 54° 41’ N, 25° 16’ O) nördlich der Hauptstadt Vilnius. In der Nähe dieses neuen Mittelpunktes gründete der Bildhauer Gintaras Karosas 1991 den "Europark". Er lud Künstler aus der ganzen Welt zu sich. Mehr als 100 Kunstwerke zeitgenössischer Künstler können Besucher heute im Wald, an Teichen und neben Bächen erkunden. Das Europamonument zeigt den Abstand zu jeder Hauptstadt des Kontinents.
Kulturhauptstädte Osteuropas
Urlaubsziele für Europafans mit Hang zum noch nicht ausgelutschten Urbanen.
Die derzeitigen Regeln der EU-Initiative "Kulturhauptstadt Europas" gehen davon aus, dass mindestens bis 2019 eine Stadt aus dem alten EU-Europa und eine Stadt aus der Beitrittswelle 2004/2007 gemeinsam den Titel führen. Die Initiative soll das Verständnis der Bürger Europas füreinander fördern. Die benannten Städte erhoffen sich vom Titel zusätzliche Investitionsmittel und eine steigende Gästezahl. Košice (2013) ist die Metropole der Ostslowakei, Riga (2014) die größte und wohl auch interessanteste Stadt der drei baltischen Republiken. Der Neubau der Lettischen Nationalbibliothek soll vorher abgeschlossen sein, er hat am linken Ufer der Daugava schon beeindruckende Ausmaße angenommen.
Prag
Gutes Urlaubsziel für Hobbyhistoriker, Musik- und Literaturfans.
Die Prager haben sich dem Tourismus, der sie das ganze Jahr über belagert, angepasst. Gut daran ist ein professioneller Service, viele herausragende Events und Unterkünfte in allen Preisklassen. Aber nicht alle Angebote, die der naive Tourist so erhält, sind fair. Das hat den Reiz der Stadt in den letzten Jahren in den Augen vieler Reisender etwas gemindert. Nach wie vor besteht Prag jedoch aus einer unverwechselbar attraktiven Mischung aus Denkmälern verschiedenster Epochen. Karl IV. regierte von Prag aus bis weit in das heutige Brandenburg hinein, und Rudolf II. umgab sich mit den besten Astronomen seiner Zeit. Musikfreunde finden internationales Spitzenniveau auf den Opernbühnen oder in den Jazzclubs der Stadt – zu Preisen, die immer noch unter denen mancher Kinos in Deutschland liegen.
Ljubljana
Gutes Urlaubsziel für Liebhaber von Großstadtdörfern, Flaneure und Müßiggänger.
Zu den kleinsten Landeshauptstädten Europas gehört Ljubljana in Slowenien, nur knapp vier Zugstunden entfernt von München. Ljubljana eignet sich hervorragend als Etappenziel auf dem Weg von Süddeutschland in die Balkanländer. Die günstige Lage als Durchgangsstation auf vielen wichtigen europäischen Verbindungen spiegelt sich auch in der Atmosphäre der Stadt wider – einer Mischung aus Alpenrepublik und Mittelmeerflair. Slowenien gilt als Vorzeigeland der großen EU-Beitrittswelle 2004/2007, Touristen müssen allerdings mit westeuropäischen Preisen für Dienstleistungen rechnen.
Polen im Trend
Die beiden touristischen Top-Aufsteiger im Osten liegen in Polen. Kein Wunder, denn Polen hat viel in den Ausbau der touristischen Infrastruktur investiert und bietet trotzdem immer noch ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Sieht man einmal von internationalen Events wie Fußballeuropameisterschaften, den Trend-Städten Krakau und Danzig sowie den Messezeiten in Posen und Warschau ab, so bekommt man hier in allen Quartierskategorien eine mehr als angemessene Gegenleistung für den Übernachtungspreis. In den letzten Jahren wurden viele Adelssitze und Gutspaläste zu luxuriösen Hotels umgebaut, die auch für Normalverdiener erschwinglich sind. Wer einfache Wanderquartiere sucht, findet im Umfeld der katholischen Kirche, zum Beispiel in Klöstern, einfache Herbergen zum kleinen Preis. Ein spartanischer, aber ordentlicher Campingplatz kostet oft nur einen symbolischen Obulus. Restaurants, Museen und Freizeitangebote sind ebenfalls sehr preisewert. Günstiger kann man auch weiter im Osten derzeit kaum Ferien machen, zumal in Ländern wie der Ukraine oder Bulgarien Hotels in der mittleren Preislage kaum vorhanden sind. Überspitzt gesagt, bleibt dort vielerorts nur die Wahl zwischen Business-Hotel und Strohsack.
Ein weiteres Argument für Polen ist die kurze An- und Abreise: Der slawische Kulturkreis beginnt 75 Kilometer hinter Berlin. Mit dem Berlin-Warszawa-Express ist man in weniger als drei Stunden in Posen (Poznań).
Großpolen
Gutes Urlaubsziel für Radler, Paddler, Wanderer und Familien, die in Frankreich schon alles gesehen haben.
Als die Wiege Polens kann man Großpolen bezeichnen. Der Name entstammt der lateinischen Verwaltungssprache im Mittelalter. Damals bezeichnete man das Gebiet rund um die erste Landeshauptstadt Gnesen als "Polonia major", das später angeschlossene Gebiet rund um die zweite Hauptstadt Krakau als "Polonia minor". Landschaftlich finden Urlauber hier ausgedehnte Wälder und Wiesen zum Wandern, Seen und Flüsse zum Paddeln und viele Regionen, die gut vom Rad oder vom Pferd aus zu erkunden sind. Unter dem Motto "Schlafen wie die Grafen" kann man in mehr als hundert historischen Schlosshotels übernachten. Zahlreiche Anbieter haben sich in der "Vereinigung Historischer Hotels" zusammengeschlossen.
Für Fahrradfahrer:
Entlang des Europaradwegs R1 und des polnischen 100-Seen- und Piasten-Radweges wird die 370 Kilometer lange Strecke vom Brandenburger Tor bis nach Posen nie langweilig, die Tour ist allwettertauglich und für Radler mit Gepäck geeignet. Das Gleiche gilt für den Europaradweg Eiserner Vorhang, der dem deutsch-polnischen Grenzverlauf folgt und viele Einblicke in die neuere Geschichte gibt.
Übernachten in Großpolen - toll renovierte Provinzschlösser und Gutshäuser mit dem Flair des vorletzten Jahrhunderts:
- Palast Mehrenthin bei Dobiegniew, DZ mit Frühstück ab 300 PLN, www.palacmierzecin.pl
- Palast Runowo bei Więcbork, DZ mit Frühstück 250 PLN, fünf Nächte Unterkunft und Vollverpflegung pro Person 700 PLN, www.palacrunowo.pl
- Palast Grochowiska bei Rogowo, DZ mit Frühstück ab 250 PLN, www.palac-grochowiska.com.pl
Saubere Pilgerzimmer mit neuen Massivholzmöbeln im Umfeld der katholischen Kirche – einfach als Quartier, keine Teilnahme an religiösen Aktivitäten erforderlich:
- Kloster Mogilno, Schlafplatz ohne Frühstück ab 30 PLN, www.klasztor.mogilno.com.pl
- Klosterhotel Nad Wierzyca Pelplin, DZ ohne Frühstück 110 PLN, www.hotel.pelplin.com
Südostpolen
Gutes Urlaubsziel für Wanderer, die einsame Mittelgebirge lieben.
Was Großpolens Landschaft für Radler und Paddler ist, das ist Südostpolen zwischen dem Flussbett des Dunajetz und den Gipfeln der Ostbeskiden für Wanderer. An der Grenze zur Slowakei findet man wunderschöne Mittelgebirge mit Höhenlagen um 1300 Meter und bunten Bergwiesen mit weiten Rundblicken. Tapferkeit kann man barfuß in den kalten klaren Bächen beweisen. Talabwärts locken verträumte Kleinstädte und alte Holzkirchen.
Estlands Inselwelt
Gutes Urlaubsziel für Familien und Skandinavienfans.
Die vier größeren Inseln vor der Westküste Estlands bieten Bullerbü-Flair zu Preisen, die weit unter denen Skandinaviens liegen. Saaremaa, Hiiumaa, Muhu und Vormsi locken mit mildem Klima und nordischem Charme, Wacholderhainen, Orchideensümpfen, Steilküsten und Sandstränden, Elchen und Robben. Große Teile der Inseln waren zur Sowjetzeit militärisch gesperrtes Grenzgebiet. Die Natur konnte sich jahrzehntelang völlig ungestört entfalten. Zentrum der Inselwelt ist Kuressaare mit einer Bischofsburg, deren Bausubstanz seit dem Mittelalter kaum verändert wurde.
Westslowakische Burgruinen
Gutes Urlaubsziel für Menschen, die gerne unter freiem Himmel unterwegs sind und sich nebenbei mit der Landesgeschichte beschäftigen möchten.
Gäbe es eine Statistik über die Anzahl der Burgruinen pro Einwohner, so würde die Slowakei unangefochten an der Spitze liegen. Die Slowakei, wie Polen ebenfalls im Schengen-Raum und inzwischen sogar in der Euro-Zone angekommen, beginnt gleich hinter Wien. Trotzdem sind ihre vielen Attraktionen im Ausland kaum bekannt. Die Zerstörung der Burgen, die Ruinenbildung sozusagen, steht vielerorts mit den Kuruzenaufständen zwischen 1672 und 1711 in Zusammenhang. Die verfallenen Mauern stehen oft auf malerischen Kalksteinfelsen mit weiten Ausblicken, die von bunten Bergwiesen umgeben sind. Mitunter erfordert die Erkundung sportlichen Einsatz.
Gruselig wird es auf Burg Čachtice: Blutrünstige Legenden ranken sich um das ehemalige Burgfräulein Elisabeth Báthory. Die "Blutgräfin" wurde 1611 als Serienmörderin verurteilt und in einem Zimmer der Burg eingemauert.
Warum so viele Burgen?
Matúš Čák (auch Matthäus Csák oder Matthias Tschak) nutzte die Wirren seiner Zeit, um sich im Mittelalter von Trenčín aus als "König der Waag und der Tatra" ein weitgehend selbständiges Reich zu schaffen. Über seine Kindheit und Jugend ist wenig bekannt, jedenfalls stammt der Grundstock seiner Besitztümer aus rechtmäßigen Erbschaften. Weitere erwarb er durch Gewalt, Intrigen und Einschüchterung. Die ungarischen Könige aus dem Herrschergeschlecht der Arpáden sahen Čák als Verbündeten an, als es um die Vertreibung der Tataren ging. Als er immer mehr seine Kompetenzen überschritt, entwickelte sich der 1308 auf den Thron gekommene König Karl I. Robert von Anjou allmählich zu seinem Feind. Dieser schickte schließlich sogar die Armee gegen ihn, konnte ihn aber nicht besiegen. Das Separatistenreich hatte um 1312 seine größte Ausdehnung, als Čák über 50 Burgen in der heutigen Westslowakei besaß. Obwohl er zweimal exkommuniziert worden war, erhielt er ein christliches Begräbnis.
Nationalpark Velebit
Gutes Urlaubsziel für alle, die sich nicht zwischen Bergen und Meer oder zwischen Wander- und Badeurlaub entscheiden wollen.
Kroatien hat weit mehr zu bieten als Inseln, Badebuchten und Fischgaststätten. Der Velebit ist ein Gebirgszug direkt an der Adriaküste. Die Landschaft beeindruckt durch große Höhenunterschiede. Innerhalb von wenigen Kilometern Luftlinie steigen felsige Gebirge steil aus dem Meer bis zu Höhen von über 1700 Metern auf. Im Velebit liegen zwei Nationalparke und ein Naturpark mit Wanderwegen von leicht bis alpin. Das Bergdorf Krasno ist ein günstiger Ausgangspunkt für Wanderungen. Kletterer kommen in der Paklenica-Schlucht auf ihre Kosten. Braunbären, Wölfe, Luchse und Adler leben in freier Wildbahn im Velebit. Und wer Ende der 1970er "Die Rote Zora und ihre Bande" im Fernsehen geschaut hat, darf sich die Küstenstadt Senj nicht entgehen lassen. Dort wurde die Serie damals gedreht.
Geheimtipp Moldawien
Gutes Urlaubsziel für Entdecker mit Improvisationstalent.
Das kleine Land nördlich des Donaudeltas gehörte einmal zum Osmanischen Reich, mal zu Rumänien und zuletzt zu Russland. Hier mischen sich Einflüsse von Orient und Okzident. Ein großer Teil der Fläche Moldawiens wird landwirtschaftlich genutzt. Besonders beeindrucken endlose Walnussbaumalleen und riesige Weinkeller. Fälschlicherweise immer noch als ärmstes Land Europas bezeichnet, gibt es in Moldawien für abenteuerlustige Touristen allerhand zu entdecken. Zwar leben viele Bewohner in bescheidenen Verhältnissen, lassen aber mehr Elan verspüren als mancher betuchte westliche Investor.
Das auf die zentral gelegene Hauptstadt Chişinău zugeschnittene Netz an Busrouten und Sammeltaxis ermöglicht es, ohne Quartierwechsel viele Facetten des kleinen Landes kennenzulernen. In den letzten Jahren kam es zu einem Gründungs- und Renovierungsboom orthodoxer Klöster. Die Anlagen von Hâncu und Căpriana liegen jeweils nur 50 Kilometer von Chişinău entfernt. In der Innenstadt der Hauptstadt kann man Hotels mit Doppelzimmerpreisen zwischen 40 Euro (Hotel Chişinău, mit realsozialistischem Charme) und 180 Euro (Hotel Leogrand, zentraler geht es nicht) finden. Es gibt Anfänge eines Bauernhof-Ökotourismus. Dort werden für Gäste auch hervorragende traditionelle Gerichte zubereitet.
Bulgariens Bergwelt
Gutes Urlaubsziel für Wanderer, die einen Hauch Abenteuer suchen.
Einen Ruf als Klassiker hat der Gebirgszug Pirin unter Bulgariens Wanderfreunden. Hier im Südwesten Bulgariens an der Grenze zu Makedonien liegt der größte Nationalpark des Landes mit klaren Seen und alten Bäumen. Mit Gipfeln bis knapp unter 3000 Höhenmeter geht es höher hinauf als in den Karpaten. Bei klarem Wetter kann man von einsamen Wanderwegen aus bis zum von Touristen überlaufenen Gipfel des Olymp in Griechenland blicken. Größere zusammenhängende Wälder und mystische Orte findet man in den angrenzenden Rhodopen. Der Legende nach war hier die Heimat von Orpheus. Besorgniserregend sind in Bulgarien Planungen und Vorarbeiten für überdimensionierte Skipisten im Witoschagebirge nahe der Hauptstadt Sofia.
Ohrid- und Prespasee
Gutes Urlaubsziel für Abenteurer mit biologischem Interesse.
Das Dreiländereck zwischen Griechenland, Albanien und Mazedonien ist nur schwach besiedelt. Umso interessanter ist die Natur in der Region. Der Ohrid- und der Prespasee sind die ältesten Seen der Welt. In diesem einzigartigen Ökosystem leben Tiere und Pflanzen, die es nur dort gibt – wie zum Beispiel der Koran, eine vom Aussterben bedrohte Forellenart. Wer die besten Stellen für spektakuläre Naturbeobachtungen sucht, sollte sich einem ortskundigen Führer anvertrauen. Die Seen liegen etwa 200 Kilometer südlich der mazedonischen Hauptstadt Skopje. Ein guter Ausgangspunkt zum Erkunden der Seenlandschaft ist das Städtchen Ohrid mit über 40000 Einwohnern, das immer zu den kulturellen Zentren Südeuropas gehörte. Hier wurde im 9. Jahrhundert die Vorform der kyrillischen Schrift erfunden.